Kulinarik & Diplomatie
- jan-goeran-barth
- 21. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Essen ist eine Sprache, die alle verstehen. Und doch hat sie unendlich viele Dialekte. Mal spricht sie in feinen Nuancen eines kunstvoll angerichteten Menüs, mal in der direkten Ehrlichkeit einer Currywurst im Pappschälchen. Beides hat seine Berechtigung, beides kann Menschen verbinden und beides kann Politik machen. Es heißt oft: „Gegessen wird immer.“ Aber das stimmt nur zur Hälfte. Denn es geht nicht nur um das Essen selbst, sondern darum, wie wir essen, mit wem und warum. Der gedeckte Tisch ist Bühne und Resonanzraum zugleich. Am Staatsbankett wird er zum Symbol nationaler Identität, im Streetfood-Imbiss zur Ausdrucksform von Authentizität.
Staatsbankette sind Rituale, die bis ins Detail durchdacht sind. Nichts auf dem Teller ist zufällig. Ein Fisch aus heimischen Gewässern, ein Brot aus regionaler Mühle, ein Wein aus deutschem Anbaugebiet, das ist nicht bloß Menüplanung, sondern Botschaft. Es ist Kulinarik als Diplomatie: Gastgeber zeigen, wofür sie stehen, was ihnen wichtig ist, welche Werte sie verkörpern wollen.

Doch warum wirkt eine Currywurst nicht weniger stark? Vielleicht gerade, weil sie das Gegenteil ist. Sie braucht keine Inszenierung, sie überzeugt durch Schlichtheit. Entstanden in der Nachkriegszeit aus Improvisation, wurde sie schnell zu einem Symbol des Neuanfangs. Ihre Botschaft: Wir machen das Beste aus dem, was wir haben. Heute ist sie längst mehr als nur ein Snack. Sie steht für Bodenständigkeit, Nähe und eine gewisse Unkompliziertheit. Wer sich an einer Imbissbude mit einer Currywurst in der Hand trifft, begegnet sich ohne Protokoll, ohne Hierarchie. Auch das ist Diplomatie nur eben in Turnschuhen statt im Smoking.
Warum Essen verbindet. Ob Staatsbankett oder Imbissbude: Essen schafft Atmosphäre. Ein gemeinsames Mahl kann Eis brechen, kann Barrieren abbauen, kann Menschen zusammenbringen, die sonst nichts verbindet. Vielleicht liegt darin das eigentliche Geheimnis der Kulinarik in der Diplomatie. Sie operiert nicht mit Argumenten, sondern mit Gefühlen. Glückshormone, die beim Genuss ausgeschüttet werden, lassen sich nicht wegdiskutieren. Sie schaffen eine Grundstimmung, in der Vertrauen und Sympathie wachsen können. Und Vertrauen, das wissen alle, die Politik machen, ist die Währung jeder Verständigung.
Es bleibt also ein Paradox. Die feine Küche und das einfache Streetfood stehen scheinbar weit auseinander und doch erfüllen beide eine ähnliche Funktion. Das eine durch Präzision, Eleganz und Symbolik, das andere durch Nähe, Ehrlichkeit und Authentizität. Beides sind Wege, Botschaften zu senden und Brücken zu bauen. Am Ende erinnert uns das an etwas Grundlegendes: Der kürzeste Weg zwischen zwei Menschen verläuft selten über Argumente. Meistens führt er über einen Tisch, auf dem etwas Leckeres steht.
Mehr zum Thema gibt es in einer Ausgabe der Sendung "Wissen" vom SWR Staatsbankett und Streetfood – Wie mit Essen Politik gemacht wird


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